Vom Erinnern und Vergessen
Vom Erinnern und Vergessen
Stellungnahme der evangelischen und katholischen Kirche in Taunusstein zur Verlegung von Stolpersteinen in Taunusstein
Gedenken und Erinnern ist eine Uraufgabe der Kirche. Diese Spur zieht sich durch die ganze Bibel, wenn es beispielsweise um die Feste geht, die das Volk Israel feiert. Allen voran das Passahfest, das eindrücklich und nachhaltig an die Sklaverei und alles Leid in Ägypten sowie den Auszug daraus erinnert.
Vergessen ist nicht immer etwas Schlechtes. Es kann manchmal in Beziehungen gut sein, dass Dinge vergeben und vergessen werden. Aber im Blick auf die Menschen, die hier in Taunusstein gelebt haben und auf sehr unterschiedliche Art und Weise zu Opfern des Nationalsozialismus wurden, gilt dies auf gar keinen Fall. Wir dürfen ihre Lebenswege nicht vergessen!
Erinnerung an die Ereignisse am Abend des 9. November 1938, als in ganz Deutschland Synagogen und Gebetshäuser angezündet und geschändet, jüdische Geschäfte und Wohnungen geplündert und verwüstet, jüdische Mitbürger*innen misshandelt oder gar getötet wurden.
„Man brach in jüdische Häuser ein und schlug alles in Scherben oder nahm es mit“, berichteten Augenzeugen von den Vorgängen in der Nacht des 9. November 1938 in Wehen. Die Synagoge an der Weiherstraße wurde von SA- Truppen aus benachbarten Orten mit Seilen und lauten Hauruck-Rufen niedergerissen. Auch die Wohnung und der Laden einer jüdischen Familie wurden zertrümmert.
Nationalsozialsten ließen ihrem Hass auf Juden für alle sichtbar freien Lauf. Eine staatlich gesteuerte Aktion, die sich auf offener Straße abspielte. Menschenrechte und Menschenwürde wurden im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen getreten. Unter den Gaffern waren jubelnde und johlende Zeugen, andere haben geschwiegen oder hingenommen, was geschah.
1933 lebten noch 19 jüdische Personen in Wehen (drei Familien in Wehen, Familie Kahn in Bleidenstadt). In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen bzw. ausgewandert. Die Familie Kahn in Bleidenstadt gab 1935 Haus, Hof und die Äcker am Ort auf, um mit einer geschlossenen Gruppe von insgesamt 20 jüdischen Landwirten nach Argentinien auszuwandern und dort eine JCA- Siedlung aufzubauen. Der Präsident dieser Gruppe von Auswandernden war Sally Kahn.
1939 wurden noch acht jüdische Einwohner in Wehen gezählt. 1941 wurden die Familien Nassauer und Simon deportiert. Die nichtjüdisch verheiratete Clothilde Schrank geb. Simon beging am 24. März 1943 Suizid, um der Deportation zu entgehen.
Menschen, die hier in Taunusstein gelebt haben und auf unterschiedliche Art und Weise zu Opfern des Nationalsozialismus wurden, dürfen wir nicht vergessen!
Der Künstler Gunter Demnig hatte 1993 erstmals die Idee zu dem Projekt „Stolpersteine“.
Mit der Aktion „Stolpersteine“ wollte er den Millionen Menschen, die von den Nationalsozialisten zu Nummern degradiert und ermordet wurden, ihre Namen und damit die Erinnerung an sie zurückgeben.
Die Idee, der Opfer des Nazi-Regimes mit Stolpersteinen vor ihren ehemaligen Wohnhäusern zu gedenken, wurde seit dem Projektstart im Jahre 2003 in vielen Städten aufgegriffen.
Seit Jahren schon wird in Taunusstein diskutiert, wie man der ehemaligen jüdischen Mitbürger*innen in Taunusstein gedenken will.
Die evangelischen und katholischen Kirchen in Taunusstein befürworten die Verlegung von Stolpersteinen ausdrücklich!
Stolpersteine möchten zum Gedenken und Erinnern anregen!
Der Talmud sagt: Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung. Wir sind es den Opfern der Shoa schuldig, sie und ihre Leiden nicht zu vergessen!
Stolpersteine möchten auch zum Nachdenken anregen: Im besten Falle immunisieren sie uns für ähnliche Entwicklungen.
Wir müssen wach bleiben, damit menschenverachtendes Gedankengut sich nicht wieder ausbreiten kann.